Ekawerk, Kosmos 5/65


Als ich Anfang der Neunziger als Umzugshelfer dilettierte, trug ich noch manches Stück aus den betreffenden Häusern, das den kranken Hirnen im Eka-Werk entsprungen war. Die Häßlichkeit dieser Möbel war so atemberaubend, daß sie an manchen Tagen zu einem Arbeitshindernis zu werden drohte. Wer wollte sich schon an so was die Hände schmutzig machen? Ekamöbel blieben immer so lange zurück, bis sie einfach nicht mehr übersehen werden konnten, und ein paar von uns einfach aus Mangel an sonstiger Arbeit in den sauren Apfel beißen mußten. Ekamöbel und Klaviere, die Alpträume des Umzugshelfers. Nicht nur, daß dieser Müll übelkeiterregend häßlich war und einen ganz eigenen, fimschigen, der ästhetischen Subalternität völlig angepassten Bürokratenmief ausströmte, nein, man konnte das Geraffel wegen der nahtlosen Furniere auch nirgendwo richtig anpacken. Einen Eka-Schreibtisch vier Etagen tief durch ein enges Treppenhaus manövrieren hieß, dem Wahnsinn in die grinsende Visage blicken. Alles vollverschweißt, keine Quadratzentimeter für einen sauberen Griff, aber trotzdem jede Menge Ecken und Kanten, die einen in Bauch und Muskeln drückten und sich bei jeder unpassenden Gelegenheit zwischen Geländer und Rauhfaserwand rettungslos verkeilten. Ja, das waren bittere Momente, und ich sah sie manchmal vor mir, die Herren Möbeldesigner aus den Eka-Werken, wie sie in Gedanken an Spediteure und Hausentrümpler, die ihren Müll in der Zukunft würden entsorgen müssen, Lachtränen vergossen. Ich befasste mich genauer mit dem Eka-Werk, mit den korrupten Praktiken, die damals dort geherrscht, den Konstruktionszeichnern aus der Irrenanstalt und den blinden Produktgestaltern, die damals dort beschäftigt worden sein mußten. Ich ging so weit, mir ein Zimmer meiner Wohnung nur mit Ekamöbeln vom Abfall einzurichten, um genauer nachvollziehen zu können, was diese Leute gewollt hatten, was ihr Ziel gewesen war. Und ich stellte, nachdem ich mich eine Woche ausschließlich in diesem Zimmer meiner Wohnung aufgehalten und beinahe den Verstand verloren hatte, die Theorie auf, man habe mit den Benutzern dieser Möbel in Wirklichkeit bestimmte psychologische Experimente veranstaltet, man habe an Millionen Menschen eine gigantische Testreihe angefeiert mit dem Ziel herauszufinden, was der Mensch an Stumpfsinn, an ästhetischer Niedertracht, an Ekaismus ertragen kann. Ich glaubte fest an diese Theorie und suchte mit selbst nicht ganz gesundem Eifer nach Indizien, die sie stützen konnten. Und bei eben einem dieser Streifzüge stieß ich auf dieses Werbeblatt, das die Theorie mit einem Schlag pulverisierte. Ich fand, las und war vernichtet. Keine Sadisten, Verschwörer und Verrückten waren damals bei Eka am Werk gewesen, sondern ganz normale Handwerker, Ingenieure und Kaufleute, die damals geglaubt hatten ganz einfach zum Wohle der Menschheit und dem ihres eigenen Geldbeutels Möbel zu produzieren und zu verkaufen. Sie hatten nichts Böses gewollt. Es war ihnen kein Verbrechen anzulasten. Sie hatten nur furchtbare Schreibtische in hell-, mittel- und dunkelbraun hergestellt, mit einer grünen Hornitex Schreibfläche versehen, und an die leidende Menschheit verscherbelt. Sie hatten Aktenschränke mit der Behauptung angepriesen, man verwende sie auch gerne als Herrenkommode, und sie hatten gar nichts dabei gedacht. Sie hatten ihre Elaborate B 94, S 75 und L 83 genannt, und sich dabei wirklich ernst genommen. Ich stellte es anhand dieser Anzeige fest, war vernichtet und begriff die Tragik der Möbelindustrie, des Menschseins und des Universums überhaupt.



© Marcus Hammerschmitt, 1996